„In den 19 Jahren meiner Amtszeit als Präsident hat sich unglaublich viel ereignet und verändert“, stellte Michael Steindorfner in seiner letzten Eröffnungsrede bei einer Versammlung des DRK-Kreisverbands fest. So habe der Bundeswehr-Landeskommandeur Michael Giss vor ein paar Tagen gewarnt, dass sich das Land auf den Ernstfall vorbereiten müsse. Baden-Württemberg werde im Nato-Bündnisfall Drehscheibe für Truppentransporte nach Osten sein. Das Land müsse sich aber auch auf die Versorgung von Verletzten und Flüchtlingen einstellen. „Das wird auch das Rote Kreuz vor gewaltige Herausforderungen stellen.“
Auch der Umgang der Menschen miteinander habe sich in den 19 Jahren geändert: „Statt Solidarität, Mut und Entschlossenheit für ein demokratisches Miteinander und ein entschiedenes Eintreten für in Not geratene Mitmenschen herrschen in unserer Gesellschaft zunehmend Egoismus, Hass und Zwietracht vor. Da sind wir als Rotes Kreuz gefordert, einen Gegenpol zu setzen.“
Der DRK-Kreisverband Böblingen e. V. sei auf Basis vorangegangener harter Arbeit, auch im Präsidium, heute einer der größten und stärksten DRK-Kreisverbände der Bundesrepublik Deutschland. „Größe bedeutet hierbei nichts anderes als unendlich viel an Hilfe und Unterstützung für all die Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind.“
Die DRK-Mitarbeitenden im Landkreis seien höchst kompetent, enorm einsatzbereit, fachlich bestens ausgebildet und würden vor allem eines besitzen: „Ein Herz für unsere Mitmenschen.“ Sie seien es, die den Kreisverband so exzellent zum Erfolg geführt haben.
Der Kreisverband sei auch im vergangenen Jahr wieder gewachsen. „Und wir wachsen noch weiter. Allerdings nicht maßlos, sondern langsam und geplant.“ So habe sich die Zahl der aktiven ehrenamtlichen Mitglieder in den Ortsvereinen vom Jahr 2023 zum Jahr 2024 von 1.850 auf 1.907 erhöht. Die Zahl der hauptamtlichen Mitarbeitenden kletterte im selben Zeitraum von 1.051 auf 1.080. Fast die Hälfte davon sei in einem der elf Altenpflegeheime tätig.
Ortsvereine und Kreisverband seien bei den Notfalleinsätzen stark gefordert gewesen. Rückten die „Helfer vor Ort“ im Jahr 2023 noch zu 6.395 Einsätzen aus, so waren es 2024 bereits 6.772. Auch die Einsatzzahlen des Notfallnachsorgedienstes stiegen von 202 Einsätzen im Jahr 2023 auf 240 im Jahr 2024. „Und in diesem Jahr war diese Zahl schon im Oktober überschritten.“ Beim Rettungsdienst stiegen die Einsätze mit dem Rettungstransportwagen von 17.968 auf 18.344 im Jahr. 9340-mal rückten die Krankentransportwagen im Jahr 2023 aus. Im Jahr 2024 stieg die Zahl auf 9.763.
„Damit das Rote Kreuz den permanent steigenden Anforderungen gerecht werden kann und für die Zukunft gewappnet ist, sind wir allerdings dringend auf einen qualifizierten Nachwuchs angewiesen“, so Steindorfner. „Daher legen wir sehr großen Wert auf die Ausbildung bei uns.“ Die Anzahl der Auszubildenden wurde ebenfalls erhöht.
Der scheidende Präsident äußerte aber auch Kritik an der Landesregierung: „Es ist deprimierend, dass der Rettungsdienst, der dem Staat eine sonst ihn selbst betreffende Aufgabe abnimmt, bei den meisten Landespolitikern nicht auf der Prioritätenliste steht. Wir begrüßen das vom Land geänderte Rettungsdienstgesetz mit der Verkürzung der Hilfsfrist von 15 auf 12 Minuten. Aber dann braucht es auch mehr Geld für den Bau weiterer Rettungswachen, für Rettungswagen und für mehr Personal.“ Das DRK baue gerade eine neue Rettungswache in Herrenberg. Diese sei aber schon zweimal aus der Landesförderung herausgefallen, weil der Fördertopf ausgeschöpft ist. „Nun muss der Kreisverband mehrere Millionen Euro vorstrecken und dafür auch noch Zinsen bezahlen. Es kann doch nicht wahr sein, dass man zusätzliche Leistungen fordert, die Mehrkosten aber nicht übernehmen will.“
Steindorfner lobte die vorbildliche Zusammenarbeit innerhalb des DRK-Kreisverbandes: „Ehrenamtliche und hauptamtliche Rotkreuz-Kameradinnen und -Kameraden aus den verschiedensten Bereichen arbeiten Hand in Hand zusammen, um Menschen in Notlagen zu helfen.“ Er dankte Kreisgeschäftsführer Wolfgang Hesl und dessen Stellvertreterin Sonja Hein dafür, dass sie „mit einer unglaublich guten Leistung dazu beigetragen haben, dass wir auch schwierige Situationen immer wieder meistern konnten. Sie haben zusammen mit unserem Präsidium unseren Kreisverband auch 2024 und 2025 weiter vorangebracht und zukunftsfähig gemacht.“ Ebenso erfolgreich sei das Zusammenwirken von Präsidium und den Vertretern der 24 Ortsvereine gewesen.
Kreisbereitschaftsleiter Jörg Männer erstattete den Bericht der Gemeinschaften. Er sagte, die ehrenamtliche Wohlfahrts- und Sozialarbeit sei ein Herzstück des Kreisverbands und lebe vor allem in den Ortsvereinen. Die Angebote seien über Jahre gewachsen. Viele Ehrenamtliche würden sich engagieren in Kleiderläden. Besonders erfreulich sei die Wiedereröffnung des Magstadter Rotkreuzladens am neuen Standort. Wie nahe die Sozialarbeit den Menschen ist, zeige der neue Seniorenmittagstisch in Perouse. „Eine Idee aus dem Ort – umgesetzt von Engagierten, die Gemeinschaft schaffen.“ Damit solches Engagement wachsen könne, habe es im Herbst einen Workshop zur Gewinnung neuer Ehrenamtlicher gegeben. Leitungskräfte und Übungsleitungen würden immer gesucht. „Auch in Krisen, bei Naturkatastrophen oder Blackouts gewinnt die Zusammenarbeit an Bedeutung. Die Wohlfahrts- und Sozialarbeit bringt hier wichtige Kompetenzen im Umgang mit vulnerablen Gruppen ein und kann auch die Blutspende im Ernstfall unterstützen.“
Ein ereignisreiches Jahr sei es für das Jugendrotkreuz gewesen. Mit knapp 500 JRK-Mitgliedern und rund 550 aktiven Schulsanitäterinnen und -sanitätern blieben die Zahlen stabil. In 33 JRK-Gruppen, betreut von 92 Gruppenleiterinnen und Gruppenleitern, werde mit großem Einsatz geübt. Höhepunkt sei erneut der Kreiswettbewerb gewesen, an dem über 80 Kinder und Jugendliche aus sieben Ortsvereinen teilgenommen haben. Ein ganz besonderes Ereignis sei das 100-Jahr-Jubiläum des Deutschen Jugendrotkreuzes gewesen. Gefeiert wurde im Maislabyrinth in Mauren. Jörg Männer erinnerte auch an den Besuch der Sprungbude in Filderstadt.
Beim Schulsanitätsdienst kamen neue Schulen hinzu und zahlreiche Weiterbildungen wurden angeboten. Besonders erfolgreich sei das neue Angebot „Erste Hilfe für den Fahrradführerschein“ gewesen, das 578 Viertklässler erreicht hat. Ein großer Schwerpunkt bleibe der Bevölkerungsschutztag in den sechsten Klassen. Rund 1.000 Schülerinnen und Schüler konnten an das Thema herangeführt werden.
Über die Bereitschaften sagte Jörg Männer: „Im Jahr 2024 standen die Konsolidierung unserer Einsatzeinheiten an ihren neuen Standorten und die ersten Bewährungsproben im Mittelpunkt. Nach ihrer Neuaufstellung beteiligten sie sich an der EM 2024. Fünf Sitzbereitschaften wurden organisiert, die gleichzeitig für Ausbildung genutzt wurden.“ Mit dem neuen Einsatzleiter „Sanität & Betreuung“ sei eine zusätzliche Führungsebene geschaffen worden, die die Kreisbereitschaftsleitung entlastet. Für die kommenden Monate stehen die Anpassung der Alarm- und Ausrückeordnung sowie weitere Übungen an. Ein wichtiger Schwerpunkt werde die kreisübergreifende Vernetzung im Katastrophenschutz sein – ebenso wie die aktualisierte Beplanung der Tunnel.
Ein großes Thema sei im vergangenen Jahr die Einführung der neuen Sanitätsdienstausbildung gewesen. Der deutlich höhere Aufwand zeige aber auch die Grenzen des Ehrenamts auf: Die Ausbildung verlange mehr Zeit – sowohl von den Teilnehmenden als auch von den Ausbildern. Hier gelte es, Lösungen zu finden.
„Zu den besonderen Höhepunkten zählte die Landesübung der Rettungshunde im Oktober“, sagte Jörg Männer. Nach der mobilen Sanitätsstation habe nun auch der neue Einsatzleitwagen in Dienst gestellt werden können – „und wir stehen kurz vor der Bestellung eines Verpflegungsanhängers“. Neben der etablierten psychosozialen Notfallversorgung für Betroffene (PSNV-B) konnte eine neue Gruppe für die Betreuung von Einsatzkräften (PSNV-E) aufgebaut werden.
Ein wichtiger Rahmen für die Zukunft sei das neue Landeskatastrophenschutzgesetz. Die Helfergleichstellung sei in den bisherigen Entwürfen noch nicht ausreichend berücksichtigt. Männer kritisiert zudem: „Wir dürfen für den behördlichen Teil des Katastrophenschutzes nicht dauerhaft zuschießen. Derzeit tragen wir mehr als die Hälfte der laufenden Kosten bei Fahrzeugen selbst und den überwiegenden Teil der Ausbildung und der persönlichen Ausrüstung.“ Auch der Bürokratieabbau sei wichtig. Zivil- und Katastrophenschutz seien nur dann leistungsfähig, wenn die Ehrenamtlichen sich auf ihre Aufgabe konzentrieren können.
Schatzmeister Nico Lauxmann legte die Jahresrechnung 2024 vor. Das DRK sei da, wenn „staatliche Hilfen an ihre Grenzen stoßen“. Um sich für die Menschen einzusetzen, „brauchen wir ein finanzielles Fundament“. Die Umsatzerlöse und die Bilanzsumme seien stabil, die Verbindlichkeiten im Vergleich zum Vorjahr leicht rückläufig. „Wir wirtschaften solide und vorausschauend. Wir haben die Stärke, aus eigener Kraft zu investieren.“ Um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, werde aber Unterstützung des Landes und der Bundespolitik benötigt, „damit wir Menschen in Not helfen können“. Lauxmann sagte, ihm falle der Abschied nach fast 30 Jahren im Präsidium des DRK-Kreisverbandes nicht leicht. Er sei dankbar für viele Freundschaften und eine Zeit, die er nie vergessen werde.
Kassenprüfer Wolfgang Heim hatte zu der letzten Bilanz von Nico Lauxmann keine Beanstandungen. Die Versammelten entlasteten anschließend ohne Gegenstimme das komplette Präsidium. In der Folge stimmten sie ebenfalls ohne Gegenstimme für die Bestellung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.
Auch die geplante Satzungsänderung fand eine sehr deutliche Mehrheit. Damit wird der Rotkreuzbeauftragte nicht mehr von der Kreisversammlung ins Präsidium gewählt, nimmt aber mit beratender Stimme an den Präsidiumssitzungen teil. Zudem wird die Amtszeit des Rotkreuzbeauftragten für den Katastrophenschutz und seines Stellvertreters an die vierjährige Wahlperiode des Präsidiums geknüpft.
Vor der Wahl des Präsidiums stellten sich Hans Dieter Scheerer, Jasmina Hostert, Dr. Tobias Brenner und Gerd Sprecher in Form von Interviews mit Marco Witzmann vom DRK-Ortsverein Böblingen e. V. in der Versammlung vor. Als Landtagsabgeordneter und Kreisrat könne er „Einfluss nehmen“, sagte Scheerer. Er trete in große Fußstapfen, traue sich das aber zu, „wenn Sie mich unterstützen“, wandte er sich an die DRK-Mitglieder. Relevant sei für ihn, dass das Ehrenamt gestärkt und weiter in der Politik gefördert wird. Wichtig sei ihm auch die Nachwuchsförderung. „Wir müssen die Menschen dafür begeistern, dass es Spaß macht, beim DRK mitzumachen.“ Zudem müsse den Menschen gezeigt werden, dass sie sich in einer unsicheren Welt auf das Rote Kreuz verlassen können. „Wir sind der Fels in der Brandung, stehen 24/7 zur Verfügung und können helfen.“ Auf Nachfragen aus der Versammlung versicherte Scheerer, dass er sich genügend Zeit für das Präsidentenamt nehmen werde. Er werde in seiner Rechtsanwaltskanzlei Aufgaben abgeben. Zudem kündigte an, kurzfristig alle 24 DRK-Ortsvereine zu besuchen und zu fragen, wo der Schuh drückt. Er habe sich bereits intensiv auf sein neues Amt vorbereitet.
Auch die Bundestagsabgeordnete Jasmina Hostert versicherte, dass sie sich Zeit für das DRK freischaufeln werde. Die meisten anderen Aufgaben erledige sie während den Sitzungswochen in Berlin, sie sei aber 30 Wochen im Jahr in Böblingen. „Dieses Ehrenamt ist ein großes. Wir werden das zusammen hinbekommen. Ich freue mich sehr auf Unterstützung und die Zusammenarbeit“, sagte die 42-Jährige.
Bei den weiteren Wahlen bestätigten die Anwesenden die bereits zuvor in eigenen Versammlungen gewählten weiteren Präsidiumsmitglieder: Melanie Schuster, Marc Lerner und Sascha Gössel von der neuen Kreisbereitschaftsleitung, Stavros Kominis und Nicole Schmid von der Kreisjugendleitung, Bärbel Seemann und Stavros Kominis von der Kreissozialleitung sowie Dietmar Büchele, Hans-Peter Gerth und Edgar Ziegler als Vertreter der Ortsvereine.
Wiedergewählt wurde Dr. Kurt Weber zum Kreisverbandsarzt. Zu Beisitzern gewählt wurden Rainer Kegreiß und Carina Altstetter. Kassenprüfer sind künftig Wolfgang Heim und Hans-Albert Binder.
Bei der Verabschiedung des bisherigen Präsidiums würdigte Steindorfner Schatzmeister Nico Lauxmann mit einer Lobesrede, während der Bundestagsabgeordnete Marc Biadacz eine Laudatio auf Michael Steindorfner hielt. „Sein Lebenswerk ist Bühnenbild der Menschlichkeit“, so Biadacz. Steindorfner habe die Eigenschaft, „Mauern in Brücken zu verwandeln“. Der Politiker erinnerte an das Herzenswunsch-Mobil und die Dream-Clowns. „Seine Visionen sind wegweisend.“ Er habe mitgewirkt beim Bau einer menschlichen Welt und sei ein „Mann der Taten“.
Auch Nico Lauxmann würdigte Michael Steindorfner mit einer Rede. Sein Wirken habe über viele Jahre Spuren der Menschlichkeit hinterlassen. Nun übergebe Steindorfner ans neue Präsidium einen gesunden DRK-Kreisverband. „Das ist eine Lebensleistung.“
Michael Steindorfner wurde anschließend zum Ehrenpräsidenten ernannt. Er erhielt eine Ehrenurkunde sowie ein eigens produziertes Buch über die Ereignisse während seiner Präsidentenzeit nebst persönlichen Worten von seinen Weggefährten.
Aus dem Präsidium verabschiedet wurden vor Ort außerdem Lisa Werdon, Dr. Ulrich Vonderheid, Dr. Alexander Failenschmid, Gabriele Vorreiter und Jörg Männer sowie Kassenprüfer Gerhard Weißenböck.
Barbara Bosch, Präsidentin des DRK-Landesverbandes Baden-Württemberg e. V., lobte in ihrem Grußwort ebenfalls Steindorfners Engagement, auch für den Landes- und Bundesverband des DRK, und überreichte ihm als Geschenk einen Glaskubus. Sie wies darauf hin, dass der Landesverband beim Landeskatastrophenschutzgesetz alles daransetze, die Helfergleichstellung zu erreichen. Zudem kündigte sie an, dass durch ein Sondervermögen beim Bund bald 80 Millionen Euro in den Bau von Rettungswachen in Baden-Württemberg fließen sollen. „Dann könnten wir den lang beklagten Fördermittel-Stau aufheben.“
Der Erste Landesbeamte Martin Wuttke dankte im Namen des Landratsamtes für die hervorragende Zusammenarbeit des DRK mit dem Landkreis. Dass das Rote Kreuz so stark dastehe, sei Steindorfners Verdienst. Er habe das DRK zur „tragenden Säule der Gesellschaft“ gemacht. „Ihr Nachfolger tritt ein großartiges Erbe an.“
Weissachs Bürgermeister Jens Millow bezeichnete das DRK als „verlässlichen Partner“, was auch gewürdigt werden müsse. Die Gemeinde habe sich zu 50 Prozent am Rettungswagen des Ortsvereins beteiligt.
Dem neuen Präsidenten Hans Dieter Scheerer gebührte das Schlusswort. Er lobte den DRK-Ortsverein Weissach-Flacht e. V. für die hervorragende Organisation der Versammlung und überreichte dem Ortsvereins-Vorsitzenden Dietmar Büchele ein Geschenk. „Wir sehen uns demnächst in den Ortsvereinen und spätestens bei der nächsten Kreisversammlung.“ Diese wird am 20. November 2026 in Mötzingen sein.
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